Der 100. Geburtstag ist etwas Besonderes. Es ist Mai 2020 und ich starte meinen eigenen Podcast, den Denkmal Immobilien Podcast. Und heute ist es soweit: Das Jubiläum und damit die 100. Episode geht an den Start. Lange bin ich in mich gegangen und habe nachgedacht: Wen lade ich mir zu diesem Jubiläum, zur 100. Podcast Folge ein?
Und dann war er da – mein Herzenswunsch, meine Wunsch-Person.
Geboren 1952 in Bergisch Gladbach. Rechtsanwalt und beliebter Sympathieträger der deutschen Politik. Supermarktchef – Rechtsanwalt - Politiker. Wie diese steile Karriere im live Leben von Wolfgang Bosbach wirklich stattfand und welche Highlights es weiterhin gab, das erfährst Du in diesem Interview.
Marcel Keller: Hallo und herzlich Willkommen zum Denkmal Immobilien Podcast, mein Name ist Marcel Keller und heute, ja heute ist die 100. Episode des Denkmal Immobilien Podcasts. Ich freue mich aus diesem Grund auf eine mindestens besondere Persönlichkeit: Herzlich Willkommen Wolfgang Bosbach!
Wolfgang Bosbach: Danke für die Einladung.
Marcel Keller: Freut mich, Herr Bosbach. Wir haben uns über die Business Plattform LinkedIn kennengelernt und innerhalb kürzester Zeit, es waren 23 Stunden, haben Sie zugesagt, mit mir die Jubiläumsfolge des Denkmal Immobilien Podcasts aufzunehmen. Liegt es daran, dass ich sag mal „Wolfgang 2.0“ seit dem 2. Oktober 2020 selbst aktiver Podcaster ist?
Wolfgang Bosbach: Das liegt eher daran, dass ich im Moment genauer gesagt seit März 2020 unfreiwillig sehr, sehr viel freie Zeit habe. Denn eine Veranstaltung nach der anderen wurde abgesagt, es werden auch 2021 Veranstaltungen abgesagt, die schon einmal in dieses Jahr verschoben worden sind. Eigentlich bin ich jeden Tag unterwegs, das fällt im Moment flach und da habe ich auch Zeit, auf elektronische Post relativ schnell zu reagieren und das mache ich auch gern.
Marcel Keller: Prima, das freut mich. Lassen Sie uns mal mit dem aktuellen Podcast Format starten. Gerade durch Corona erlebt dieses Medium eine steile Geburt. Sie sind seit Oktober 2020 ebenso Podcaster: Ihr Podcast heißt „Bosbach & Rach – Die Wochentester“. Wie man dem Namen entnehmen kann, haben Sie sich den Sternekoch und Restauranttester Christian Rach an die Seite geholt. Sie blicken im Podcast wöchentlich freitags auf die Woche zurück mit den Gedanken „Was war? Was wird?“ Herr Bosbach, wie kam es dazu, dass Sie Podcaster wurden?
Wolfgang Bosbach: Ich weiß gar nicht ob Wolfgang Bosbach sich Christian Rach an die Seite geholt hat, vielleicht würde es Christian Rach auch umgekehrt sehen. Präzise richtig wäre, dass Jochen Maass uns an die Seite geholt hat, denn er hatte die Idee dazu. Und es ist völlig richtig, was sie sagen, das Format Podcast hat an Attraktivität, Bedeutung und an Nutzungsstärke gewonnen in den letzten Monaten. Und unser Ziel ist es auch, die Interviewpartner, der aller erste war zum Beispiel Günther Jauch, nicht nach wenigen Worten zu unterbrechen und zu einem anderen Thema zu springen, sondern ihn ausreden zu lassen, damit es ein wirkliches Gespräch gibt und damit die Zuhörerinnen und Zuhörer von diesem Gespräch einen Nutzen haben.
Marcel Keller: Genau, aus diesem Grund macht man es ja. Ich nenne es mal Infotainment, oder?
Wolfgang Bosbach: Ja das ist bei uns immer eine Mischung aus sehr ernsten Themen, sehr ernsten Gesprächen, die wir untereinander führen oder mit unseren Gästen, aber auch immer ein bisschen Augenzwinkern.
Marcel Keller: Sie hatten es erwähnt, in der ersten Folge haben Sie sich Herrn Jauch reingeholt, Herr Lauterbach war schon bei Ihnen, aber auch die Damenwelt, die Laura Wontorra. Wenn Sie mal über die Gästeliste zurückblicken, fällt Ihnen spontan ein besonderes Highlight ein, eine tolle Info, ein schöner Lacher, den man zusammen hatte? Ist Ihnen da etwas im Kopf geblieben?
Wolfgang Bosbach: Man muss vielleicht erklären, warum Günther Jauch unser Wunschgast für die Premierenfolge war. Das hing ja unmittelbar zeitlich zusammen mit dem Feiertag der Deutschen Einheit. Günther Jauch hat ja doch auch Gespräche geführt bei der offiziellen Veranstaltung, er wohnt auch in Potsdam, also hat auch eine besondere Beziehung zu Brandenburg und Potsdam, deswegen haben wir uns für ihn entschieden. Das intensivste Gespräch hatten wir sicher aus aktuellem Anlass mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.
Wolfgang Bosbachs Karriereweg
Marcel Keller: Verständlich bei der aktuellen Lage. Wenn wir ihre Karriere zurück spulen, da waren Sie mal Boss des Supermarktes Coop West. Haben Sie bereits hier gelernt, sich gut zu verkaufen? Mit Sympathie, mit Empathie, wie Sie es alltäglich tun?
Wolfgang Bosbach: Eins ist auf jeden Fall richtig: Es gibt vom Einzelhandel zur Politik eine Parallele, das ist der Umgang mit Menschen. Wenn du mit Kunden und Kundinnen nicht gut umgehen kannst, dann wird es schwer sein, sich als Supermarktleiter erfolgreich zu behaupten. Denn die Kunden machen keine Arbeit, das ist unsere Arbeit. Dasselbe gilt auch für die Politik. Die Bürgerinnen und Bürger, die machen keine Arbeit, der Umgang mit ihnen ist unsere Arbeit. Natürlich sind Parlamentsdebatten wichtig, Abstimmungen, Ausschusssitzungen. Aber mindestens genauso wichtig ist doch der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern. Ich hatte in meiner aktiven Zeit immer um die 10.000 Zuschriften pro Jahr. Davon wurden mindestens 95% beantwortet, um die 6.000 Einladungen waren dabei. Das hat sich jetzt alles halbiert, aber ich nehme das nach wie vor sehr ernst.
Marcel Keller: Haben Sie den Großteil der 10.000 Anfragen selbst beantworten können?
Wolfgang Bosbach: Mindestens 90% davon. Manchmal hat man nicht die Informationen, die abgefragt werden, dann müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen, bei der Zusammenstellung des Materials. Wenn es ganz einfache Anfragen sind, zum Beispiel, “Wann hat Herrn Bosbach in meiner Nähe eine Veranstaltung?” Dann kann das das Büro machen. Wenn es aber um inhaltliche Themen geht, das muss ich dann schon selber machen. Die Leute wollen ja nicht wissen, was die Mitarbeiter im Büro dazu sagen, sondern was ich davon halte.
Marcel Keller: Wie kam es im Laufe der Jahre dann eher zum, ich nenne es mal Paradigmenwechsel, und dem Sprung ins Studium der Rechtswissenschaften in Köln?
Wolfgang Bosbach: Das war ein bisschen aus Zufall, denn in meiner Zeit als Supermarktleiter hatte ich schon einen der größten Supermärkte im Konzern, da war ich Anfang 20. Ich wollte Karriere machen in dem Konzern. Ich wollte den Handel gar nicht verlassen, ich wollte auch eines Tages mal in die Zentrale gehen, vielleicht als Zentraleinkäufer oder ähnliches. Deswegen habe ich mich weitergebildet zum staatlich geprüften Betriebswirt und während dieser Ausbildung hatte ich zum ersten Mal Kontakt mit Rechtswissenschaft und da hat es Klick gemacht: Da habe ich gewusst, eigentlich möchtest du das machen. Mein Wunsch war es auch immer Rechtsanwalt zu werden, nicht Staatsanwalt, Richter oder Syndikus in einem großen Betrieb. Aber ich hatte damals nur das Fachabitur, ich musste also erst das Abitur nachholen. Ich musste auch noch Latein lernen, weil man damals das kleine Latinum brauchte, das war keine leichte Zeit.
Marcel Keller: Also eher über den zweiten Bildungsweg. Vielen Juristen steht ja die Tür in die Politik offen: Parallel zum Supermarktleiter sind Sie jedoch schon mit 20 Jahren, bereits 1972, in die CDU eingetreten. Auch dort waren Sie, ich nenne es mal „bissig“ oder willig und wollten die Politiker-Karriereleiter nach oben erklimmen. Das ist Ihnen auch gelungen: Stellvertretender Landesvorsitzender in NRW, Abgeordneter im Deutschen Bundestag, stellvertretender Vorsitzender der Bundesfraktion – Mandate, die mehrere Menschen in der Politik wollen. Wie ist es Ihnen gelungen in diese Positionen zu kommen? Wächst man da rein, ist das Glück? Wie funktioniert sowas?
Wolfgang Bosbach: Das ist eine sehr gute Frage, es ist eine Kombination aus beidem. Ich habe jetzt demnächst 20 Jahre Kommunalpolitik gemacht. Damals ging das ja noch, weil der Deutsche Bundestag in Bonn war. Bonn ist nicht weit von Bergisch Gladbach entfernt, etwa 45 Minuten mit dem Auto. Da ließ sich das Staatsmandat mit dem Bundestagsmandat vereinen. Dann kam 2000 der Umzug nach Berlin, dann ging das nicht mehr. Aber die kommunalpolitische Arbeit war die beste Voraussetzung für die spätere Tätigkeit im Bundestag. Und jetzt kommt schon ein Stück Zufall, da haben Sie Recht: Denn die Karriere, die dann in Berlin begonnen hat, hängt unmittelbar zusammen mit der CDU-Spendenaffäre. Damals wurde ja der gesamte Fraktionsvorsitz neu gewählt. Wolfgang Schäuble hat das Amt aufgegeben, Friedrich Merz wurde sein Nachfolger. Und in meiner Disziplin, Innen- und Rechtspolitik, hatte sich Jürgen Rüttgers zeitgleich entschieden, nach Düsseldorf zu gehen. Er war ja dann auch später Ministerpräsident von NRW, dann wurde auch diese Stelle frei, in die ich dann hineingewählt worden bin. Das war ich dann auch knapp 10 Jahre.
Marcel Keller: Politik – ganz oder gar nicht, das ist ja so ein bisschen das Credo. Herr Bosbach, Sie sind Ehemann und Vater von 3 Töchtern, sozusagen der Hahn im Korb. Sie haben es angedeutet, der Umzug von Bonn nach Berlin: 18 Jahre Hotelleben in Berlin ist ein spannender Spagat. Wie gelingt einer Person des öffentlichen Lebens dieses Hin und Her zwischen Familie und Beruf, also Politiker sein?
Wolfgang Bosbach: Also immer bei der Wahrheit bleiben: die Erziehungsarbeit hat zu 90-95% bei meiner Frau gelegen. Es ging ja nicht nur darum, dass ich 22 Wochen am Stück in Berlin war, es gibt immer 21-22 Sitzungswochen pro Jahr, da ist man von montagmorgens bis freitagabends oder Samstag morgens durchgehend in Berlin, man kann gar nicht zuhause sein. Und dann kam die Karriere dazu, das heißt, wenn dann sitzungsfreie Zeit war, war ich meistens, wie heute auch noch, bundesweit unterwegs. Und da ist man natürlich froh und glücklich, wenn man eine Ehefrau hat, die da nicht klagt, sondern sagt, das ist sein Beruf und dabei helfe ich ihm, indem ich ihm im Rahmen meiner Möglichkeiten zuhause unterstütze.
Marcel Keller: Ist ja gut gelungen, wie man weiß. Sie hatten durch ihre Politik Karriere bereits mit vielen Persönlichkeiten zu tun, sei es Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder aktuell Angela Merkel. Machen Sie für uns mal das Nähkästchen auf, was waren Momente für Sie mit diesen Menschen, die Sie heute noch Gänsehaut bekommen lässt?
Wolfgang Bosbach: Das kann man am besten deutlich machen anhand von zwei Beispielen. Das eine Beispiel: Helmut Kohl. Als ich stellvertretender Fraktionsvorsitzender wurde, da habe ich das Büro von Jürgen Rüttgers bezogen, das lag unmittelbar neben den Büroräumen von Helmut Kohl, der damals nicht mehr Kanzler war, aber noch Mitglied des Deutschen Bundestages. Wir hatten am Anfang wegen der Spendenaffäre ein etwas schwieriges Verhältnis, das hat sich aber nach wenigen Monaten gelegt. Dann habe ich Tag für Tag Helmut Kohl ganz anderes kennengelernt als er öffentlich beschrieben wurde: ein bisschen provinziell, oft als Birne karikiert. Ich habe ihn ganz anders erlebt, sehr nachdenklich, sehr historisch bewusst. Und ich fand es auch interessant, dass er mir mehr als einmal erklärt hat: Das wichtigste in seinem Leben sei der europäische Einigungsprozess gewesen, denn ohne ihn hätte es auch die deutsche Wiedervereinigung nicht gegeben. Also Vertrauen der Nachbarn in Deutschland. Es war nämlich nicht selbstverständlich, dass alle Nachbarn und Verbündeten mit der deutschen Wiedervereinigung einverstanden waren. Also Maggie Thatcher hat das ganz anders gesehen. Das war sicher die politische Meisterleistung von Helmut Kohl, die deutsche Wiedervereinigung, aber für ihn war die europäische Einigung auf der politischen Tagesordnung mindestens so weit oben. Und dann die vielen persönlichen Begegnungen mit Angela Merkel. Ich habe sie, und das schätze ich auch heute noch an ihr, als sehr unprätentiös kennengelernt. Sie gilt als mächtigste Frau der Welt, hat aber ein sehr bescheidenes Auftreten, macht nicht viel um sich herum. Sie hat keinen Hofstaat oder ähnliches und sie ist ausgesprochen fleißig, das darf man nicht unterschätzen. Wenn Angela Merkel in ein Meeting kommt, dann ist sie bestens vorbereitet und kümmert sich auch um Details, das interessiert sie dann wirklich. Also wenn man mit ihr spricht, verhandelt, dann muss man mindestens ebenso gut vorbereitet sein.
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Die Corona-Krise
Marcel Keller: Darauf basiert auch ein Großteil des Erfolges. Neben den politischen Ereignissen hatten Sie wohl auch Gänsehaut bei der Hochzeit ihrer jüngsten Tochter in 2020. Die Hochzeit wurde aufgrund Corona auf eine überschaubare Personenzahl begrenzt. Googelt man Corona, so kommen in Windeseile 1,2 Milliarden News – nahezu krankhaft. Wie sehen Sie das Ausmaß der aktuellen Covid 19 Pandemie?
Wolfgang Bosbach: Zunächst zur Hochzeit: die Kinder waren traurig, ist natürlich klar. Sie hatten 150 Gäste eingeladen, das Schokoladenmuseum in Köln war angemietet, alles musste storniert werden. Aus 150 wurden dann zweimal 15 Gäste. Erst die Familie, dann die Freunde, streng voneinander getrennt und nacheinander. Bei strahlendem Sonnenschein im Garten, es war eine wunderschöne Hochzeit. Dann sollte groß gefeiert werden, ich habe ja einen türkischen Schwiegersohn, mit 1000 Gästen am 3. Oktober, der Termin ist ersatzlos ausgefallen. Trotzdem, es war eine gute Entscheidung und sie haben die Zeit gut genutzt, denn: die zwei machen mich jetzt zum Opa.
Bei Corona ist mir ein Punkt wirklich wichtig: Ich halte es in der öffentlichen Debatte schlicht für falsch, dass wir nur zwei Gruppen bilden: Die eine Gruppe findet alle Maßnahmen, die AHA-Maßnahmen, alles was dazu gehört, richtig, notwendig, alternativlos und richtet sich danach. Die zweite Gruppe, das sind die Aluhut-Träger, die Verschwörungstheoretiker, die Corona-Leugner. Die gibt es auch. Aber es gibt auch eine große dritte Gruppe, die sagt, ja, ABER. Und dazu gehören viele, die wirtschaftlich am Abgrund stehen. Es ist ein Unterschied, ob am Monatsende dein Gehalt pünktlich und in voller Höhe kommt, ob du gar kein materielles Lebensrisiko trägst oder ob man auf Kunden und Umsatz angewiesen ist und ob man nicht weiß, wie es weiter geht. Und da muss die Politik schon Fragen beantworten.
Marcel Keller: Ja, gerade die Lockdowns sind für viele Menschen eine krasse und auch emotionale Herausforderung – beruflich, wie privat. Wie sehen Sie die Chancen wieder in einen intakten Alltag zu kommen und vor allem wann? Ist der Impfstoff die Rettung?
Wolfgang Bosbach: Zunächst einmal ein ganz persönlicher Hinweis, weil ja nicht wenige glauben, Politiker hätten vom richtigen Leben überhaupt keine Ahnung, die betrachten die Welt nur aus den getönten Scheiben des Dienstwagens. Wir sind auch persönlich betroffen. Meine mittlere Tochter war mit Leidenschaft Flugbegleiterin bei Germanwings, ist jetzt arbeitslos und sitzt an der Supermarktkasse. Die jüngste Tochter hat nicht nur geheiratet, sie hat auch ein Café eröffnet, das mehr geschlossen als auf war. Das sind richtige wirtschaftliche Probleme. Da ist man natürlich froh, wenn man eine Familie hat, die da helfen kann. Aber ich weiß, wie es denen geht, die leiden. Die Frage, wie geht es weiter, ist kompliziert zu beantworten. Denn: Wenn es dabei bleibt, werden wir ein Stück Normalität erst wieder haben, wenn wir eine Inzidenz von 50 erreichen. Es gibt viele Wissenschaftler, die sagen das ist immer noch zu hoch, lieber 25. Das wird dauern, da wird auch Mitte Februar nicht der richtige Zeitpunkt sein. Wir werden demnächst sofort wieder eine Debatte haben, ob wir nicht den Lockdown über den 14. Februar hinaus verlängern müssen. Ich will nur einen Punkt erwähnen: wir haben einen neuen Nachbarn. Es ist ein fröhliches Kommen und Gehen, aber die Regeln, die wir beschließen, gelten natürlich nur für das Bundesgebiet. Aber solang es dabei bleibt, dass wir offene Grenzen haben, dass Hunderttausende ständig hin und her fahren, sie kommen ja auch aus Gebieten, die eine höhere Inzidenz haben als wir hier in Deutschland. Das ist ein einziger Punkt, da kommen noch viele andere Punkte hinzu: Meint man mit der Inzidenzzahl 50 oder 25 flächendeckend zwischen Flensburg und Mittenwald? Es wird immer wieder Regionen geben, in denen die Zahlen überschritten werden. Impfen ist sicherlich die Königsdisziplin, da sollten wir uns mal selbstkritisch fragen, wieso da andere Länder wesentlich weiter sind als wir, Großbritannien, Israel, die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn man bei uns sagt, wir haben alles richtig gemacht, keine Versäumnisse, keine Fehler, dann muss ich mich fragen, was haben die anderen alle falsch gemacht, wenn die wesentlich mehr impfen als wir.
Marcel Keller: Lassen Sie sich impfen?
Wolfgang Bosbach: Ja selbstverständlich, so wie ich mich auch jedes Jahr gegen die Grippe impfen lasse. Ich bin ja ohnehin Risikoperson. Ich lasse mich dann impfen, wenn ich an der Reihe bin, also vordrängeln gilt nicht. Ich habe bis zur Stunde kein wirklich überzeugendes Argument gegen Impfen gehört.
Marcel Keller: Was vermuten Sie, wieso wir dieses Jahr so wenig Grippetote haben?
Wolfgang Bosbach: Oh, da sollten Sie einen Mediziner fragen, Virologen, Epidemiologien, keinen Juristen. Aber eine Begründung könnte sicherlich sein, dass wir wie in keinem Jahr zuvor auf Hygiene und Maske gesetzt haben und auch auf Abstand. Und das hilft ja nicht nur gegen Corona, gegen Covid, sondern das hilft auch gegen ganz normale Grippeviren.
Marcel Keller: Nochmal zurück zum Thema Lockdown: würden Sie die Grenzen Deutschlands zu machen oder sogar die Grenzen innerhalb der Bundesländer?
Wolfgang Bosbach: Beides Nein! Ich muss nur sehen, welche Folgen das hat. Innerstaatlich, auf die Idee käme ich nun wirklich nicht. Und zu den Nachbarländern: das hatten wir ja bereits und wollen das nicht wiederholen. Deswegen ist es ja auch so wichtig, dass wir uns nicht nur abstimmen im Bund, zwischen Bund und den 16 Ländern, die Zuständigkeit liegt sowieso nicht beim Bund, sondern bei den Ländern, sondern dass wir auch in Europa einen möglichst einheitlichen Kurs mit hohem Schutz fahren.
Marcel Keller: Der Staat pumpt immer mehr Geld in den Markt, in die Wirtschaft. Diese Schulden sind doch nie und nimmer rückzahlbar, oder? Zumindest nicht in absehbarer Zeit?
Wolfgang Bosbach: Also da würde ich mal zurückblicken auf die Wirtschaftsfinanzkrise 2008 2009. Wir rechnen jetzt mit einer Minus Quote von etwa 5,0 - 5,5%. Das ist wesentlich weniger als die Rezession nach der Wirtschaftsfinanzkrise. Notwendig ist jetzt, dass wir rasch wieder auf den Wachstumspfad kommen. Das hängt entscheidend davon ab, wie sich jetzt das weitere Infektionsgeschehen entwickelt und davon, dass wir Haushaltsdisziplin üben. Wer hätte denn 2010/2011 gedacht, dass wir in den Jahren danach eine schwarze Null haben? Wir haben ja auch den Haushalt konsolidiert nicht mit höheren Steuern, sondern mit höheren Steuereinnahmen, weil wir 10 Jahre ununterbrochen, wenn auch bescheidenes, Wirtschaftswachstum hatten.
Marcel Keller: Ja, die Wirtschaftskrise war ein anderes Konstrukt, das kam aus Amerika, hauptsächlich durch gewisse Papier. Aber sehen Sie gerade aus der Corona-Krise heraus ein „Unternehmer-Sterben“, gerade vielleicht Kleinbetriebe oder Einzelhändler, Friseure, usw.?
Wolfgang Bosbach: Das hängt jetzt ganz davon ab, wie vernünftig zum Beispiel Vermieter und Verpächter sind. Da gibt es eine Rechtsänderung, jetzt wird das alles recht kompliziert. Aber stellen Sie sich folgende Lage vor: Der Einzelhändler kann nicht öffnen, zum Beispiel der Friseur, der Gastronom. Der Vermieter sagt, was habe ich mit Corona zu tun, ich bekomme die Miete oder die Pacht in voller Höhe. Die Bank sagt, was habe ich mit Corona zu tun, ich habe das Objekt zwar finanziert, wir haben einen Kreditvertrag, aber ich bekommen Zinsen und Tilgung in voller Höhe. Den letzten beißen die Hunde, in diesem Falle eben den Gewerbetreibenden, der zwar die Fixkosten hat, aber keine Einnahmen, weil er keine Kunden bedienen kann. Deswegen ist es wichtig, dass sich die Betroffenen als Schicksalsgemeinschaft verstehen, was sie ja auch tatsächlich sind. Wenn man ein vernünftiges Verhältnis findet zwischen Vermieter und Vermieter, kann das zur Entlastung beitragen. Wenn nicht, werden die wirtschaftlichen Schwierigkeiten schnell größer. Sollte sich der Lockdown fortsetzen, was ich nicht hoffe, aber auch nicht ausschließen kann, bis März, April, dann wird es für viele wirklich eng.
Marcel Keller: Ja. Sie sagen, wir sind eine Schicksalsgemeinschaft. Denken Sie an Adidas, das waren die ersten, die keine Miete mehr zahlen wollten bei einem Gewinn von X, den kann man überall einlesen. Schicksalsgemeinschaft ist also immer Auslegungssache. Letztendlich, Sie sagen, wird der Lockdown verlängert bis März/April, dann rollen sozusagen auch Unternehmerköpfe. Welche Auswirkungen wird das auf die Wirtschaft haben, speziell auf die Finanzwelt? Kredite werden nicht mehr bedient, Umsätze fallen weg…
Wolfgang Bosbach: Das muss man jetzt differenzieren, denn wir haben ja auch Branchen, die boomen. Der Online-Handel boomt, der hat kein Problem. Der Lebensmitteleinzelhandel auch nicht, der ist so gut wie nicht tangiert. Und dann gibt es eben andere Branchen, wie ich gerade schon erwähnt habe, die wirtschaftlich am Abgrund stehen und denen versucht jetzt der Staat zu helfen. Das heißt, Ihre Frage ist völlig berechtigt, aber kann nicht beantwortet werden, solange man nicht weiß, in welchem Umfang und wann der Staat effektiv hilft. Ich bin auch mal gespannt, wenn die ersten Zahlen darüber rauskommen, wie viel Hilfe der Staat zugesagt hat und wie viel überhaupt geflossen ist. Es werden ja abends im Fernsehen atemberaubende Milliarden Beträge genannt. Und wenn man dann mal ein halbes oder viertel Jahr später nachfragt, wie viel ist überhaupt abgeflossen, dann sind die Beträge oft deutlich niedriger.
Marcel Keller: Ja, es ist ja kein Geheimnis, dass die Novemberhilfen noch nicht flächendeckend ausgezahlt sind. Sie sprechen ja von Hilfen, letztendlich werden ja schon viele Hilfen geleistet. Die Euro-Zone hat mittlerweile seit Jahren eine Nullzins Politik, Geld wird in den Markt geschossen, Wertpapiere gekauft, Kredit Zinsen auf Null Niveau – wie lange geht das noch weiter?
Wolfgang Bosbach: Im Moment hat sich die EZB selber diese Politik verordnet, ich sehe jetzt keinen Zeitpunkt, wo sie diese Politik ändern kann oder ändern wird. Zumal es dem Staat im Moment zugutekommt, weil sich ja die öffentliche Hand zu Konditionen verschulden kann, wie es das vorher noch nie gegeben hat. Denn nehmen sie mal den Bund, die Bundesanlagen, wir zahlen ja keine Zinsen, das heißt die Kreditgeber geben uns ja nicht das Geld, weil sie sich vom Bund hohe Zinsen versprechen, sondern weil sie wissen, der Bund ist ein guter Schuldner und zum Fälligkeitszeitpunkt bekomme mein Geld zurück, das heißt ich muss keine Strafzinsen bei der EZB zahlen.
Marcel Keller: Richtig. Aber in der Theorie würden die Zinsen steigen, wäre das für viele EU-Staaten der Killerfaktor Nummer 1. In 2015 gab es eine konträre Meinung mit Angela Merkel in Bezug auf die Griechenland-Hilfen. Würde man heute die Zinsen anheben, so bekämen wohl wieder die bekannten Staaten in finanzielle Schieflage. Wie beurteilen Sie das?
Wolfgang Bosbach: Da geht es ja nicht nur um Zinsen, sondern auch um Tilgung. Denn alles, was damals befürchtet worden ist, hat sich ja mittlerweile bewahrheitet. Der Schuldenstand in Griechenland ist ja heute genauso hoch wie beim Ausbruch der Krise, die im Grunde keine Euro-Krise war, sondern eine Staatsschuldenkrise. Die Schuldenquote ist ja nicht gesunken. Der einzige Unterschied zu damals ist, dass die Ausfallrisiken beim Steuerzahler liegen und nicht bei den privaten Geldgebern. Viele wissen ja überhaupt nicht mehr, dass Italien und Griechenland mit eigener Währung 10-13% Zinsen gezahlt haben. Also wenn man heute nur 2-3% zahlen müsste, wären die Staaten ja schon überfordert.
Immobilien als finanzielles Standbein für die Rente?
Marcel Keller: Genau. Deshalb gibt es ja die “Bürgschaft” oder die Bonität von besseren Ländern wie beispielsweise Deutschland, sodass man an vernünftige Zinssätze sozusagen dran kommt. Aber wenn man in das Thema Zinsen, Finanzen, Kreditaufnahme nochmal tiefer reingeht: Wir sind heute im Denkmal Immobilien Podcast, dem Podcast für Manager, Führungskräfte und Unternehmer, die mit Immobilien Vermögen aufbauen wollen und gleichzeitig die Steuerlast optimieren wollen. Ihr werter Kollege, CDU-Politiker Norbert Blüm, der leider im April 2020 verstorben ist, ist bekannt für seinen Werbespruch „Denn eins ist sicher: Die Rente“. Er hatte durchaus Recht. Die Rente ist sicher, die Rentenhöhe stellen wir noch in Frage, gerade für die kommende Generation. Wie sehen Sie auf Basis der aktuellen Gegebenheiten am Markt die Chance mit Immobilien sich ein finanzielles Standbein aufzubauen? Eine sozusagen Immobilien-Rente?
Wolfgang Bosbach: Da muss ich zunächst einmal finanziell in der Lage sein, so viel zurückzulegen, dass ich mir das erlauben kann. Die Immobilienpreise sind ja in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ich bin kein Immobilienexperte, aber ich kann auch nicht erkennen, dass die Immobilienpreise aufgrund Corona und der Folgen fallen. Es mag sein, dass das bei einzelnen Objekten in einzelnen Regionen der Fall ist, aber flächendeckend jedenfalls nicht. Dass das eine wirklich sinnvolle Kapitalanlagen ist, gerade für das Alter, daran habe ich keine Zweifel. Aber ich bin weit davon entfernt, bestimmte Empfehlungen abzugeben. Das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Marcel Keller: Das ist richtig. Sie haben es angesprochen, die Immobilienpreise sind seit Corona sogar noch weiter angestiegen. Gerade in Großstädten, in Speckgürtel Lagen. Ich kann mich erinnern im Februar, März, April 2020 wo Investoren auf mich zukamen und einen Marktzugang gesucht haben zum Thema Zwangsversteigerungen und wollten damit ein Schnäppchen machen. Da habe ich gesagt, das wird es nicht geben. Den qualitativen Objekten werden immer weiterhin am Markt unterwegs sein und die Preise werden weiter steigen. Das wurde auch bewiesen. Sie sagten Immobilien können für viele ein Standbein sein.
Wolfgang Bosbach: In doppelter Hinsicht: einmal für sich selber, wer keine Miete mehr zahlen muss, wer Eigentümer ist, hat eine deutliche finanzielle Entlastung und zum anderen als Kapitalanlage, um eine andere Einkunftsquelle zu haben neben der gesetzlichen Rente.
Marcel Keller: Diversifizierung, sprich Risikostreuung. Investieren sie selbst in Immobilien?
Wolfgang Bosbach: Ja.
Marcel Keller: Hat es sich gelohnt, hat es funktioniert?
Wolfgang Bosbach: Ja. Ich bin im Grundbuch eingetragen als Eigentümer, aber da wohnt meine mittlere Tochter, also ich habe das nicht aus Spekulationsgründen getan. Ich habe allen drei Kindern geholfen bei dem Erwerb von Wohnungen.
Marcel Keller: Vorbildlich. Zum Abschluss noch eine Frage: Friedrich Merz war ihr Wunsch-Kandidat auf den Posten des CDU-Vorsitzes. Letztendlich hat Armin Laschet das Mandat an sich gezogen. In Sachen Kanzler positionieren Sie sich als Befürworter von Markus Söder.
Wolfgang Bosbach: Als Kanzlerkandidat positioniere ich mich wie folgt: Die Union sollte mit dem antreten, der die besten Chancen hat an der Spitze für die Union ein tolles Wahlergebnis zu erzielen.
Marcel Keller: Im Interview vor kurzem sagten Sie: Der ideale Bundestrainer ist Jürgen Klopp – heißt es zumindest immer, nur der will ja aktuell gar nicht. Will Söder überhaupt Kanzler werden?
Wolfgang Bosbach: Das müssen Sie Herrn Söder fragen. Vielleicht im ersten Jahr, aber wenn er bei seiner Haltung bleibt, dass sein Platz in Bayern ist, dafür gibt es ja auch viele gute Gründe, dann erübrigt sich die Debatte. Denn wenn Markus Söder es nicht wird, dann ziehen wir mit Armin Laschet in den Wahlkampf.
Marcel Keller: Herr Bosbach, die letzte Frage dürfen Sie nun an mich stellen.
Wolfgang Bosbach: Wie kommen Sie beim Thema Denkmal auf mich? Denkmal ist doch eher etwas in Stein gehauen. Ich und Denkmal?
Marcel Keller: Ja. Wo steht, dass Denkmäler Immobilien sein müssen? Es gibt doch auch Denkmälern unter Politikern, unter Menschen.
Wolfgang Bosbach: Die kriegst du doch meistens erst, wenn du tot bist!
Marcel Keller: Ja, aber Sie sind ein lebendes Denkmal, Herr Bosbach.
Wolfgang Bosbach (lacht): Ach gut! Ja, das ist ein Argument, das lass ich gelten. Das ist okay.
Marcel Keller: Prima. Ich sage besten Dank, Herr Bosbach.
Wolfgang Bosbach: Ich danke Ihnen.
Marcel Keller: Nun, Herr Bosbach, ich wusste, warum Sie mein Wunschgast für die 100. Podcast Folge waren: Sympathisch – empathisch – politisch. Wolfgang Bosbach, wie er leibt und lebt. Herzlichen Dank an Sie und alles Gute für die Zukunft.
Wolfgang Bosbach: Schöne Grüße an Sie und an alle, die zugehört haben!
Marcel Keller: Tschüss Herr Bosbach!
Wolfgang Bosbach: Tschüss!